Ergebnisse der Analyse

– aus Theorie und Empirie

Wie sollen Planer*innen in transformativen Prozessen und mit rechtspopulistischen Reaktionen auf diese Prozesse umgehen? Um uns der Beantwortung dieser Frage annähern zu können, ging unseren dazu formulierten Standpunkten eine Analysephase voraus. Die analytische Arbeit setzte sich dabei aus der Lektüre von Fachtexten, aus geführten Expert*inneninterviews und der systematischen Weiterverarbeitung der gewonnen Information zusammen. Das sind unsere zentralen Ergebnisse: 

Herausforderungen des Strukturwandels in den Lausitzen

Den Ausgangspunkt der folgenden Analyse stellen die Herausforderungen dar, die uns in der Recherche begegnet sind. Neben den epochalen Konfliktlinien – Kosmopolitismus vs. Nativismus, Zentrum vs. Peripherie, direkte vs. indirekte Demokratie, materielle vs. postmaterielle Werte – die sich grundsätzlich in modernen Gesellschaften ausfindig machen lassen, existieren Krisen der Partizipation, der Souveränität und der Repräsentation. Hinzu kommen demographische, infrastrukturelle, ökonomische und gesellschaftliche Hürden, die das Gelingen des Kohleausstiegs und Strukturwandels erschweren. Resultierend herrscht eine generelle Unsicherheit gegenüber den zukünftigen Veränderungen, die mit einer Angst vor einem Bedeutungsverlust der Lausitzen einhergehen, wobei nicht eindeutig belegt werden kann, ob dieser auch mit einem Identitätsverlust einher geht. Denn die Kohleenergiewirtschaft sehen manche Interviewpartner*innen als Identifikationsfaktor, andere wiederum halten diese Identität für eine Projektion durch Politik und Medien von außen.

In jedem Fall stellen die Pfadabhängigkeiten, die in der jahrelangen Fokussierung auf die Kohleindustrie begründet liegen, ein strukturelles Problem einiger Teilräume der Lausitzen dar, was unter anderem die Ansiedlung neuer Wirtschaftsbereiche, Infrastrukturen und Arbeitsplätze erschwert. Von Bundes- und Landesebene delegierte Zuständigkeiten, die hier Abhilfe schaffen sollen, helfen den Lausitzen zwar auf abstrakter Ebene als Region, in vielen Fällen jedoch nicht den direkt vom Strukturwandel betroffenen Menschen. Denn die dafür notwendigen Voraussetzungen sind – aufgrund der politisch gewollten industriellen Monostruktur auf Basis der Kohle – in vielen Fällen nicht endogen vorhanden und müssen erst generiert werden, was häufig vom Zuzug spezialisiert ausgebildeter Arbeitskräfte abhängt.

Das Untersuchungsraster, mit dem wir unsere Analyse angegangen sind und die Ergebnisse verwertet haben, findest Du hier.

Populismus als Reaktion auf Krisen

Populismus bezeichnet eine politische Mobilisierungslogik, die eine Reaktion auf den Entzug der Souveränität bildet (Priester 2017). Unter dem Begriff des Populismus wird keine konkrete Ideologie, sondern vielmehr eine bestimmte Vorstellung einer „Logik der Vereinfachung des politischen Raums“ (Marchart 2017, zitiert nach Laclau 2005) bezeichnet, bei der zwei Gruppen der Gesellschaft einen Antagonismus – zwischen dem Volk und einer korrupten Elite –  bilden (Marchart 2017, zitiert nach Mudde 2004: 543). Oft möchten populistische Parteien bzw. Bewegungen unterschiedlicher Ideologien eine solche Darstellung nutzen und somit breite Teile einer Bevölkerung gegen ein Establishment in Politik, Wirtschaft und Kultur mobilisieren, welches nicht im Interesse der Menschen handelt (Marchart 2017). Als eine bestimmte Form des Populismus gilt der autoritäre Populismus (siehe Glossar Autoritärer Populismus)

Die Bezeichnung des autoritärer Populismus nach Sager (2019: 83f.) fokussiert sich auf rechte Bewegungen beziehungsweise Regime und kann folgenden Kriterien nach definiert werden:
Anti-Elitismus: Der autoritäre Populismus konstruiert ein moralisch reines ‘Volk’, das korrupten Eliten’ gegenübersteht (ebd.: 83).
Autoritäre Populist*innen lehnen jede Einschränkung des Ausdrucks des Volkswillens ab. (ebd.)
Anti-Pluralismus: Autoritäre Populist*innen behaupten, dass nur sie ‘das Volk’ vertreten, andere werden ausgeschlossen. Es kommt zu einer Artikulation eines singulären gemeinsamen Willens ‘des Volkes’, welcher von jemandem vorgetragen wird, der darauf besteht, ‘das Volk’ als Ganzes zu vertreten. (ebd.: 83f.)
Autokratie: Ein demokratischer Prozess ist unter autoritärem Populismus sinnlos, weil ‘das Volk’ mit einer Stimme spricht und andere kein Recht auf Anhörung haben. Die Regierungsgewalt liegt in den Hände eines ‘starken Führers’. (ebd.: 83f.)
Völkischer Nationalismus: Forderungen nach einer strengen und/oder diskriminierenden Politik gegenüber bestimmten ethnischen oder religiösen Gruppen, die in das Land einreisen oder dort leben (ebd.: 84).

Die Aktivitäten der AfD machen vor Staatsgrenzen nicht halt: Auch in Polen plakatiert die Partei für deutsche Landtagswahlen, wie in der taz nachzulesen ist.

Gemeinsam mit dem Verlust materieller Absicherung und einer räumlichen, kulturellen und sozialen Peripherisierung gehen Abwertungserfahrungen einher. Zusätzlich verstärkt der auf Bundesebene beschlossene Kohleausstieg das Gefühl fremdregiert zu sein. Als Reaktion auf diese materiellen und immateriellen Bedrängnisse entsteht Populismus, dessen Kern das vereinfachende Narrativ des Dualismus Volk vs. Elite bildet. In den Lausitzen zeigt sich der Populismus mit der AfD von seiner rechts-autoritären Seite , die bei den letzten Landtags- und Europawahlen beträchtliche Erfolge erzielen konnte. Die AfD instrumentalisiert das Misstrauen gegenüber Veränderung – dessen Ursache unter anderem im Strukturbruch liegt, der dem Ende der DDR folgte –, indem sie ein Wir-Gegen-Die-Gefühl heraufbeschwört und insbesondere in Geflüchteten und (post-)migrantischen Menschen einen Sündenbock für die Probleme der Menschen konstruiert.

Einen Vorschlag, wie Rechtspopulismus entgegengewirkt werden kann, findest Du in diesem Essay.

Besonders bei Fragen der Mitarbeit in politischen und planerischen Institutionen fallen viele AfD-Politiker*innen allerdings durch mangelnde Sachkenntnis, Sabotage konstruktiver Arbeitsprozesse oder schlichte Abwesenheit auf. Als Erklärungsansatz dafür wird zum einen der Widerspruch genannt, der Populismus inhärent ist: Intermediäre politische Instanzen werden als den Volkswillen verzerrend abgelehnt, was die eigene Arbeit als Partei in Frage stellt. Zum Anderen wird die Komplexität der politischen und gesetzlichen Vorgaben sowie die Langwierigkeit von Planungsprozessen als Grund für die mangelnde Mitarbeit von Populist*innen genannt. Trotz einer zunehmenden Radikalisierung des autoritären Rechtspopulismus in den Lausitzen äußert sich der Umgang mit der AfD in unterschiedlichen Formen: Von Normalisierung über Kooperation und Duldung bis zur strikten Ablehnung.

Hürden in Planungs- und Partizipationsprozessen

Die Kombination aus politischen und gesetzlichen Vorgaben, der Langwierigkeit von Planungsprozessen und den anfangs genannten Krisen der Partizipation, Souveränität und Repräsentation trägt dazu bei, dass bei vielen Bürger*innen das Vertrauen schwindet, den Strukturwandel mitgestalten zu können. Anstelle dessen existiert häufig eine Frustration gegenüber Partizipation und Planung, die durch den Missbrauch von Partizipation als Herrschaftsinstrument – um lediglich Akzeptanz und Legitimierung zu simulieren – verstärkt wird. 

Einen Vorschlag, wie Partizipation frühzeitig gestärkt werden kann, findest Du in diesem Essay.

Um dem entgegenzutreten und eine Handlungsermächtigung der Lausitzer*innen im Strukturwandel zu generieren, kam daher die Forderung auf, die Kommunikation bei Partizipations- und Planungsprozessen zu verbessern, kleinteilige Formate anzubieten und die Bevölkerung an konkreten Fragestellungen zu beteiligen. Für den Arbeitsalltag der ohnehin schon vielerorts überlasteten Planer*innen bedeutet dies allerdings einen zusätzlichen Aufwand, für den weitere Kapazitäten geschaffen werden müssten. Ein Vorschlag ist es daher, Partizipationsprozesse auf kommunaler, regionaler und Landesebene stärker zu institutionalisieren. Allerdings stünde dies entgegen der ebenfalls in einigen Interviews formulierten Forderung nach mehr Graswurzelbewegungen.

Wie enttäuschend die gesetzlichen oder politischen Vorgaben sein können, verdeutlich dieser Ausschnitt aus der Dokumentation Wolle for Future sehr eindrücklich.

Anforderungen an Planungs-, Partizipations- und Leitbildprozesse

Der Neoliberalismus umfasst eine breite Strömung mit unterschiedlichen historischen wie länderspezifischen Erscheinungsformen, daher müsste eigentlich von ‘Neoliberalismen’ gesprochen werden (Butterwegge et al. 2017: 11). Allgemein strebt Neoliberalismus nach einem Kapitalismus ohne wohlfahrtsstaatliche Begrenzungen – einer neoliberalen Propaganda freier Märkte, die mit einer Politik der Deregulierung, Liberalisierung, Gewinnmaximierung, des Wettbewerbs und Privatisierung einhergeht (ebd.). In den 1990er-Jahren wurden mit der “Liberalisierung der Finanzmärkte […] der massive Rückbau der Sozialstaaten sowie eine Wirtschaftspolitik, die auf die einseitige Verbesserung der Angebotsbedingungen von Unternehmen zielt, die Konturen einer neuen Wirtschafts- und Sozial(un)ordnung” (Ptak 2017: 13) geformt und sichtbar. Ende des 20. Jahrhunderts avancierte der Neoliberalismus zur dominanten Ideologie des Kapitalismus. Dabei ist der Machtanspruch des Neoliberalismus total und universell – total im Sinne einer umfassenden Entpolitisierung des Gesellschaftlichen und universell im Hinblick auf seinen globalen Geltungsanspruch – und entwickelte sich daher zu einer Ideologie der Unumkehrbarkeit und Alternativlosigkeit (ebd.: 13f.).

Wichtig für das Konzept der Neoliberalisierung nach Mayer (2013: 156f) ist vor allem die Prozesshaftigkeit und Pfadabhängigkeit konkreter neoliberaler Projekte, die betont, dass es sich nicht um einen fixierten Zustand, sondern einen offenen Prozess marktorientierter Restrukturierung handelt. Die gegenwärtige Logik räumlicher Entwicklungen – die als neoliberalisierend oder auch unternehmerisch bezeichnet wird – ist auf Wachstum, Profitmaximierung und Selbstverantwortung ausgerichtet (Vogelpohl 2013: 16). Das bedeutet, dass sämtliche Politikbereiche dem übergreifenden Ziel der standortpolitischen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und lokalen Generierung von Wirtschaftswachstum untergeordnet werden (ebd.: 22f.). Wesentliche Elemente dieses Prozesses sind Deregulierung, Liberalisierung, Privatisierung und Kommodifizierung sowie eine wachsende soziale Kontrolle. All dies führt zu einer verstärkten Polarisierung der Gesellschaft. (Kellersohn, Paul 2013: 7)

Unter anderem die kritische Stadtforschung wie auch soziale urbane Bewegungen kritisieren die gegenwärtige Hegemonie der kommunikativen Planung, die sich auf „eine realpolitische politikwissenschaftliche Konzeption von Politik als Konsensmodell“ (Roskamm 2015: 10, zitiert nach Habermas 1990) stützt und bei Planungen versucht, die gesamte Gesellschaft einzubinden. Die Vorstellung eines öffentlichen Raumes in dem ein „[Austausch] in freier Kommunikation unter Gleichen“ (ebd.) stattfindet, geht aus der Demokratietheorie von Jürgen Habermas hervor. Eine fortschreitende Neoliberalisierung der „städtischen politischen Ökonomien [und Gesellschaft]“ (ebd.) erfordert jedoch einen Gegenentwurf, der geeignet ist, dahingehend kritische Hinterfragung durch Planer*innen selbst zu ermöglichen. „Das [etablierte] Konzept der kommunikativen Planung ändere […] nichts grundsätzlich und stelle auch nichts grundsätzlich infrage“ (Roskamm 2015: 10). So wird das Gegenteil bewirkt, indem das Ziel der Konsensfindung eine grundlegende Kritik exkludiert und eher „Teil der herrschenden Verhältnisse als emanzipatorisch ausgerichtet [ist]“ (Roskamm 2015, zitiert nach Gunder 2010: 302: 10). Die entsprechenden Argumente einer solchen Kritik finden sich in der „agonistic planning theory“ (Roskamm 2015: 10, zitiert nach Mäntysalo 2011: 266) wieder, welche sich auf das Konzept des Agonismus von Chantal Mouffe stützt (Roskamm 2015: 10f.). Mouffe lehnt sich an den Ausdruck der Postpolitik an, der von Slavoj Žižek eingeführt wurde (Roskamm 2015: 11). Žižek beschreibt mit dem Begriff der Postpolitik „[jenen] Typus des Politischen, in dem die Kollaboration voraufgeklärter Technokraten […] den Konflikt globaler ideologische Entwürfe ersetzt“ (Roskamm 2015: 11, zitiert nach Žižek 2010: 272f.). Weiter wird „[ü]ber den Prozess des Aushandelns von Interessen und ausgestattet mit dem notwendigen Expertenwissen […] unter dem Dach von nicht mehr hinterfragbaren Grundannahmen ein mehr oder weniger allgemeiner Konsens erreicht.“ (Roskamm 2015: 11). Žižek bezeichnet die Hegemonie des gegenwärtigen Kapitalismus und die Ideologie des Neoliberalismus als postpolitisch (ebd.). Mouffe sieht einen direkten Zusammenhang zwischen der konsensorientierten Demokratietheorie von Habermas – worin die kommunikative Planung ihren Ansatz begründet – und dem Postpolitischen (ebd.). Diesem Modell entgegnet sie deshalb den Agonismus, „der einen immer konflikthaften und umkämpften Bereich zum Ausgangspunkt aller sozialen Handlungen und Ereignisse bestimmt“ (ebd.). Die sich aus dieser These herausbildende agonistische Planungstheorie „versucht, Planung auf dieser Grundlage neu auszurichten“ (ebd.).

Begreift man Planungstheorie in einer Entwicklungsgeschichte, so folgt die kommunikative Planungstheorie auf den planerischen Inkrementalismus, der wiederum auf die umfassende Planung folgt (Roskamm 2015: 10). Der erste Ausgangspunkt der kommunikativen Planungstheorie ist das Verständnis von Politik als Konsensmodell (ebd.), während die zweite Säule der kommunikativen Planungstheorie das Ideal eines freien, deliberativen Austausches in freier Kommunikation von Gleichen, basierend auf der Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas, ist (ebd.). In Form der Governance strebt kommunikative Planung eine Konvergenz öffentlicher und privater Interessen mittels Kommunikation an (Sager 2019: 91). Konflikte sollten der kommunikativen Planungstheorie folgend zu Partizipationsmöglichkeiten umgemünzt werden, an deren Ende ein Konsens steht (Kühn 2020: 8). Resultierend beschränkt sich die Planung bei der kommunikativen Planungstheorie häufig darauf, Aushandlungsprozesse zu moderieren (Roskamm 2015: 10), bei denen Partizipation zu einer qualitativen Verbesserung von Plänen führt (Sager 2019: 88). Die kommunikative Planungstheorie genießt bis heute große Beliebtheit praktizierender Planer*innen und Theoretiker*innen, während die agonistische Planungstheorie (siehe Glossar Agonistische Planungstheorie) als Kritik an der Konsens-orientierten kommunikativen Planung zu verstehen ist (Roskamm 2015: 10).

Die umfassende Planung (auch comprehensive planning theory genannt) ist ein Planungsansatz, der vor allem in den 1960er und 70er Jahren prägend gewesen ist (Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft o.J.b).  Planung ist bei diesem als Zweck-Mittel-Rationalitäten aufgebaut und am klar ermittelbaren öffentlichen Interesse ausgerichtet (ebd.). Planer*innen nehmen in der umfassenden Planung eine starke Stellung ein und besitzen genaue Kenntnis aller relevanten Informationen, ohne eigene Partikularinteressen zu verfolgen (ebd.). Potenziell aufkommender Konflikt erscheint hier als zu vermeidende oder zu unterdrückende Disruption (Kühn 2020: 7f.). Das Ende der umfassenden Planung läutete Melvin Webbers und Horst Rittels in den 1970er Jahren aufgestellte Theorie ein, Planungsprobleme seien inhärent bösartig, weder richtig noch falsch zu lösen und nie endgültig überprüfbar (Roskamm 2015: 9). Daher kann Planung nicht ausschließlich rational und technisch begründet werden (ebd.). Begreift man Planungstheorie in einer in Stufen stattfindenden Entwicklungsgeschichte, so wurde die umfassende Planung durch den Inkrementalismus abgelöst, der auch als „Muddling Through“ (deutsch „Durchwursteln“) bezeichnet werden kann (Roskamm 2015: 9).

Welche Rolle hierbei Hochschulen und ihre Student*innen spielen sollten, erfährst Du in diesem Essay.

Im Idealfall schafft Planung kollektive Güter, die keine Partikularinteressen bedienen. Um Akzeptanz für diese zu gewährleisten und Partikularinteressen keine Übermacht zu geben, ist eine Repolitisierung von Planungsprozessen notwendig. Dies steht entgegen der technokratischen Auffassung, Planung sei in erster Linie eine pragmatische Praxis, die sich vor politischen Hindernissen sträubt. In der agonistischen Planungstheorie wird daher vorgeschlagen, dass Planung Räume für Konflikte eröffnen soll, um die vermeintliche Alternativlosigkeit neoliberaler Politik aufzubrechen. Der kommunikativen Planungstheorie folgend müsse jedoch ein Konsens als Ergebnis eines deliberativen Austausches im Vordergrund planerischen Handelns stehen, anstatt Konflikt als eigentliches Ziel zu betrachten. Im Gespräch mit Akteur*innen in den Lausitzen zeigten sich sowohl Aspekte der agonistischen als auch der kommunikativen Planungstheorie, wobei die Rolle des Richtungsstreits als belebender Diskurs zur Zukunft der Lausitzen ein wiederkehrendes Motiv war. An diesem Richtungsstreit und der Generierung von Vorschlägen für den Strukturwandel sollten neben Bürger*innen und Planer*innen auch Wissenschaftler*innen als aktive Akteur*innen mitwirken, was jedoch durch das aktuelle Wissenschaftssystem zu wenig Anerkennung findet.

Besonders auf regionalplanerischer Ebene besteht der Wunsch nach einer verstärkten Einbindung in den Strukturwandel, wobei die oftmals beratende Funktion von Planung – in Form der Vorauswahl und Schwerpunktsetzung – durch mehr inhaltliche Freiräume und informelle Instrumente, wie zum Beispiel Leitbilder, flankiert werden sollte. Um progressiv agieren zu können, müsse sich zudem von der fiskalisch getriebenen bedarfsorientierten Planung abgewendet und stattdessen angebotsorientiert geplant werden. Gemeinsam mit den oben genannten Anforderungen an Partizipation ist dies eine Notwendigkeit, damit belastbare und sozialverträgliche Zukunftsentwürfe für die Lausitzen entstehen, die Ergebnis eines breit angelegten demokratischen Austausches und kontroverser Diskussionen sind.

Unter formeller Planung werden gesetzlich geregelte Instrumente und Verfahren verstanden, die auf dem öffentlichen Bau- und Planungsrecht basieren. Sie sind geprägt durch festgelegte Verfahrensschritte und Beteiligungsstrukturen. Das Planungsergebnis formeller Verfahren erzeugt eine Bindungswirkung und somit Planungssicherheit. (Bayerische Architektenkammer o.J.) Beispiele für formelle Planungsinstrumente sind Bebauungspläne, Flächennutzungspläne oder Raumordnungsverfahren.

Informelle Planung bezeichnet Instrumente und Verfahren, die keinen Vorgaben des öffentlichen Planungsrechts unterliegen, so dass sie je nach Anlass, Thema, und räumlicher Situation flexibel ausgestaltet und an die jeweiligen Bedingungen angepasst werden können. Sie ist sowohl für die Vorbereitung der formellen Planung als auch darüber hinaus unverzichtbar. Alle Planungsebenen der Raumplanung in Deutschland verfügen über informelle Planungsansätze. (Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft o.J.a) Beispiele für informelle Planungsinstrumente sind Stadtentwicklungskonzepte, Internationale Bauaustellungen oder europäische Raumentwicklungskonzepte.

Damit diese Zukunftsentwürfe und Planungen für den Strukturwandel an bestehende Lebensrealitäten der Menschen anknüpfen können, muss eine regelmäßige Prüfung der Leitbilder und -ziele stattfinden, was zugleich Voraussetzung dafür ist, der Langwierigkeit des Prozesses gerecht zu werden. Die Länge des Planungszeitraumes – vor allem im Vergleich mit dem Strukturbruch der 1990er Jahre – wird allerdings auch als Chance gesehen: In Kombination mit den Mitteln des Strukturstärkungsgesetzes ist es nun möglich, strategisch das vorhandene Know-how im Energiesektor, die Nähe zu Berlin, Dresden und Wrocław, sowie die naturnahen Landschaftsräume neben weiteren Standortfaktoren als Potenziale zu nutzen, um die Lausitzen als Modellregion für gelungenen Strukturwandel zu positionieren.

Wie eine umfassende Demokratisierung der Bevölkerung stattfinden könnte, erfährst Du in diesem Essay.

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Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft. o.J.a Informelle Planung. (Zugriff: 23.01.2021) URL: https://www.arl-net.de/de/lexica/de/informelle-planung.

Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft. o.J.b umfassende Planung. (Zugriff: 06.01.2021) URL: https://www.arl-net.de/de/lexica/de/umfassende-planung.

Bayrische Architektenkammer. o.J. Formelle Planung. Pflichtaufgabe der Gemeinde. (Zugriff: 23.01.2021)
URL: https://www.byak.de/planen-und-bauen/architektur-technik/raum-und-flaechenplanung/nachhaltige-orts-und-stadtplanung/kommunale-planarten-und-planungsinstrumente/formelle-planung.html.

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